Es sind die späten Achtziger. Der antifaschistische Schutzwall steht.
Noch teilt die Mauer Berlin in Ost und West. Auf der Straße und in den
Kreuzberger Jungendclubs hört und tanzt man zu Rap aus New York oder
L.A.. An den Wänden markieren die ersten Crews ihre Reviere. Nach
US-amerikanischen Vorbild entstehen Gangs. Die 36er in Kreuzberg. Die
Black Panther im Wedding oder Spinne 44 in Neukölln. Dann fällt die
Mauer. Axel zieht mit seiner Mutter in die Nähe vom Südstern. Axel ist
fünfzehn. Der Kiez am Halleschen Ufer wird sein Zuhause. Axel und
seine Clique, ein bunter Haufen aus Schwarzen, Arabern, Bulgaren,
Russen, Türken, Kurden und Deutschen, allesamt Berliner Kids, hier
geboren und aufgewachsen, sind jetzt als Gang rund um das Hallesche
Tor unter dem Namen ICT unterwegs, “It’s Crime Time”.
Man hängt rum, spielt Billard, zieht Leute ab, verkauft Drogen,
versucht Mädchen zu imponieren und hört die Musik von N.W.A., Tupac
und Public Enemy. Zum Repertoire der Gang gehört bald auch das
sogenannte “Auto-Bomben”. Eine Hand auf die Scheibe, in der anderen
ein geklauter Nothammer. Dann nur noch zuschlagen, Handy, Handtasche
oder Laptop krallen und auf dem Rad das Weite suchen. Besonders
beliebt sind Kindergärten und Kitas, in den frühen Morgenstunden, wenn
Mütter unachtsam ihre Kleinen abgeben. Und besser in Steglitz oder
Zehlendorf als am Prenzlauer Berg. Eigentlich alles ganz einfach. Mit
den Jahren wird es zu Routine und zur sicheren Einkommensquelle.
Mit dem Geld kauft sich Axel seine erste Kamera, eine Sony in
Hi8-Technik und fängt an zu filmen. Er hält einfach drauf, wenn die
Kumpels vor der Kamera Blödsinn machen. Von Schnitt und Komposition
hat er keine Ahnung. Aber hat einen eigenen Blick und will irgendwann
mehr. Über den Rapper Harris lernt er die Regisseurin Niki Drakos
kennen, bei der er zum ersten Mal an einem Schnittpult setzt.
Gelegentlich assistiert er dem Fotografen Andreas Mühe. Doch das
schnelle Geld am Straßenrand winkt weiter. Eines Tages sieht Axel beim
Griff nach der Handtasche auf dem Sitz eines am Straßenrand geparkten
Wagens, dass der Schlüssel steckt. Er fährt den siebzigtausend Euro
Audi in die Werkstatt eines Russen und verballert die Hälfte der
zehntausend Euro noch in derselben Nacht mit Freunden in einem Club.
Es dauert nicht mehr lange und die Staatsmacht steht in seiner
Wohnung. Es kommt zu Verurteilung und Haftstrafe und genau hier fängt
dann die Geschichte von „Halt die Fresse!“ an.
Axel hat tatsächlich alle HDF-Videos gedreht. Alle bis auf eins. Für
den geplanten Dreh mit Kool Savas in den USA erhielt Axel aufgrund
seiner Vorstrafe keine Einreiseerlaubnis. Immerhin auch eine gute
Geschichte. Bei allen anderen 417 Videos (Stand Januar 2019) stand
Axel hinter der Kamera und prägte mit seinen Onetakes eine ganze
Generation von HipHop-Fans. In dieser Zeit inszenierte Axel HDF-Videos
unter anderen von Haftbefehl, Olexesh, Capital, Fettes Brot, Motrip,
SIDO, Moses Pelham, Farid Bang, KIZ, Alligatoah, Jan Delay, Massiv,
Veysel, SXTN, Kitty Kat, MC Fitti, Schwester Ewa, Raf Camora, Toni der
Assi, Eko Fresh und vielen anderen mehr, die mehr als eine Milliarde
mal abgerufen wurden.